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Yan und die Esel

Ein Reisebericht

Yan kenne ich, seit ich mit ihm eine Eseltrekkingtour unternommen habe. In meiner Familie wird er auch liebevoll „Der Eselmann“ genannt, obwohl wir seither mehr durch seine gelegentlichen Aufenthalte auf unserem Freizeitgrundstück im Elsass verbunden sind, was mit Eseln nun gar nichts zu tun hat. Aber von vorne.

Ich bin eigentlich eine Pferde- beziehungsweise Ponyfrau. Fast 30 Jahre lang hatte ich Islandpferde. Trotzdem habe ich mich auch zu Eseln immer hingezogen gefühlt. Ihre kluges und besonnenes Wesen haben mich schon immer fasziniert. Also kam mein Sohne Fabian, der von Beruf Erzieher ist und sich in Wildnispädagogik fortgebildet hat, auf die Idee, mit mir an einer geführten Eselwanderung im Pfälzer Wald teilzunehmen. Und so haben wir Yan kennengelernt.

Diese Woche unserer Wanderung ist mir in vielerlei Hinsicht sehr eindrücklich in Erinnerung geblieben. Ich habe so viel mehr über Esel gelernt als aus meinen Büchern und auch genau soviel über mich selbst.

Als Fabian mir sagte, dass wir im Wald übernachten werden, ohne festes Dach über dem Kopf und heiße Tage bis 40 Grad angekündigt waren, wollte ich schon kneifen, denn mit meinen 54 Jahren, Rückenproblemen und großer Hitzeempfindlichkeit hatte ich große Bedenken, ob ich das schaffen würde. Aber dann habe ich mich zum Glück doch auf das Abenteuer eingelassen, zumal wir ja, wie sich dann herausstellte, die meiste Zeit unter einem sonnenschützenden Blätterdach gewandert sind.

Am 9. August 2015 trafen wir morgens in Birkenhördt hinter Bad Bergzabern ein. Nach und nach trudelten auch die anderen Teilnehmer ein. Von trekkingerfahren bis (noch) ungeübt, jung bis gereift, Familien mit Kind, Pärchen und Singles war alles vertreten. Zudem waren 6 ganz unterschiedliche Esel schon beim Treffpunkt versammelt, von ganz klein bis riesig. Yan war da mit seinem Equipment und den Packsätteln für die Tiere, wir mit unserer Ausrüstung, so sparsam wie möglich, für eine Woche „Überleben“ im Wald. Da ich keinen Rucksack tragen kann, hatte ich mir eine Hüfttasche für mein Tagesgepäck besorgt; das hat prima funktioniert. Yan hat die Esel zugeteilt, immer 2 Teilnehmer für ein Tier. Fabian und ich bekamen Fine, die Kleinste in der Runde. Ich war total happy, denn sie wirkte auf mich so nett und lieb und war auf Anhieb „mein Typ“. Jedes Paar verstaute in den Packtaschen seine Ausrüstung, sehr genau darauf bedacht, dass die Taschen rechts und links gleich schwer und insgesamt nicht überladen waren. Fabian als Spezialist für Minimalismus hatte wirklich nur das Allernötigste für uns dabei; zum Übernachten für uns jeweils einen Biwaksack und ein Tarp. Die meisten Teilnehmer hatten kleine Zelte dabei.

Als alles verstaut war, ging es los in den Wald. Die Esel kannten sich untereinander von früheren Wanderungen; sie wirkten von Anfang an wie ein eingespieltes Team. Das Gehtempo war eher gemächlich und die Tagesetappen eher kurz (vielleicht 10 bis 12 Kilometer ?), sodass es gar nicht so besonders anstrengend war.

Unser Finchen hat uns total begeistert. Sie war so bedacht und zuverlässig, es gab keinerlei Diskussionen mit ihr. Andere Esel, vor allem die Großen, waren da manchmal schon anspruchsvoller im Handling, aber wir hatten ja auch Teilnehmer dabei, die groß und stark waren und eine Herausforderung brauchten. Bis zum ersten Nachtlager auf einer Wiese am Waldrand hatten sich alle Teams eingespielt.

Wie leicht die Esel für die Nacht einzupferchen waren, das hat mich total fasziniert. Ein paar Stangen, ein Seil zwischen den Bäumen, das war schon ausreichend. Mit Pferden oder Ponys wäre so was undenkbar gewesen. Bei der Mittagsrast mussten wir nur die Hälfte der Tiere anbinden, die anderen blieben von alleine in der Nähe ihrer Kumpel. Ich zog natürlich immer die Vergleiche mit den Pferden und war mehrmals sprachlos über die Gelassenheit unserer vierbeinigen Begleiter. Einmal machten wir Halt an einem Ausguckfelsen, der nur über ein Leiter erklommen werden konnte. Die Esel standen unten auf einem schmalen Pfad, die Führstricke irgendwie im Gebüsch befestigt. Kein Pferd hätte man so stehen lassen. Die Esel sind sofort in den Ruhemodus gegangen; keiner hätte einen unbedachten Schritt gemacht. Wenn einer seinen Huf im Strick verheddert hatte, hat er einfach gewartet, bis ihn wieder jemand befreite. Keine Spur von Panik oder wegrennen wollen.

Die Nächte unter freiem Himmel waren einfach nur schön. So im Wald oder am Waldrand zu liegen, die Tiere ganz in der Nähe zu hören, das war eine sehr intensive Erfahrung. Yan hat uns so souverän geführt, wir konnten uns ganz ins Hier und Jetzt fallen lassen. Der Alltag, die Gedanken an Zuhause waren praktisch von Anfang an kein Thema mehr. Wir haben eine Walddusche installiert, in einem Quellteich gebadet (überhaupt jedes Wasser, jeden Brunnen unterwegs genutzt, um uns und die Esel zu tränken, unseren hygienischen Bedürfnissen nachzukommen und unsere Kopfbedeckungen einzutauchen und so die Hitze erträglich zu machen). Unvergessen auch, wie ich mit einer anderen Teilnehmerin nachts im Mondschein in einem See geschwommen bin.

Bereichernd fand ich auch, mit so verschiedenen Menschen in Kontakt zu kommen und zu erfahren, aus welchen Beweggründen heraus sie sich für diese Gruppentour entschieden haben. Jede/r war auf seine Art eine Bereicherung für unsere kleine Gemeinschaft auf Zeit. Man hat sich gegenseitig unterstützt, da, wo es von Nöten war. Zum Beispiel beim Aufbauen des Zeltes oder des Pferches, bei der Huf- und Fellpflege und beim Beladen der Grautiere. Mit der Zeit haben sich auch kleine Kochgemeinschaften herausgebildet. Auch beim Unterwegssein war es von Vorteil auf Helfer zurückgreifen zu können, falls mal eine knifflige Wegstelle zu überwinden war.

Einmal waren wir morgens etwas später dran, da hatten sich unsere Esel schon in ihrem Übernachtungspaddock Nase an Schweif in der Marschreihenfolge aufgestellt. Sie waren so cool und kooperativ, das war echt beeindruckend. Waren die Wege etwas steinig und steil, dann lief Fine hinter mir am langen Strick in Serpentinen hinunter. Man musste überhaupt nicht für die Tiere mitdenken, sie einfach nur machen lassen. Nur ein Mal wollte einer von den Großen nicht über eine Holzbrücke gehen. Der hohle Klang der Schritte war ihm wohl etwas unheimlich. Erst als alle anderen drüben waren und wir etwas von hinten „angeschoben“ hatten, hat er sich doch entschieden mitzukommen.

Was mich noch beeindruckt hat im Vergleich zu Pferden, war, dass die Esel beim Trinken extrem vorsichtig waren und sehr lange brauchten, um eine ihnen unbekannte Wasserstelle anzunehmen. Wir mussten, da immer wirklich sehr ruhig sein und geduldig warten. Vielleicht stammt diese angeborene Scheu von den Vorfahren aus Afrika, wo an den Wasserlöchern durchaus Krokodile lauern könnten?

Dieses ruhige, gelassene Dasein, das Gleichmaß der gemächlichen Fortbewegung in den schönen Pfälzer Bergen, das Zusammensein mit den Tieren – all das hat diese Woche für mich unvergesslich werden lassen. Ich war stolz und zufrieden und so tief im Einklang mit mir und meiner Umgebung wie selten.

Nach unserer Rückkehr zum Ausgangspunkt kam mir das Autofahren oder überhaupt der Verkehr und die Betriebsamkeit der Ortschaften extrem hektisch vor. Die Entschleunigung war so klar zu spüren. An den Alltag musste ich mich erst allmählich wieder gewöhnen.

Ich kann heute noch von der Zeit mit den Eseln zehren. Die Woche hat mich gelehrt, was mir wirklich wichtig ist, um froh zu sein: Wald und Tiere. Und Einfachheit. Das ist mein persönlicher Luxus.

Yan, mit dem mich seit unserer Tour eine lockere Freundschaft verbindet, hat mich angeregt, über die Eselwanderung einen Reisebericht zu schreiben. Und nachdem er nun fertig ist, kann dieser gerne auch als Angebotsbeschreibung für diese wunderbare Art der Naturerfahrung verwendet werden. Ich hoffe ich konnte andere Menschen darauf neugierig machen.

Probiert es aus – es lohnt sich.

Angela Berggötz aus Karlsruhe